Seit Beginn dieses Schuljahres haben die neunten Klassen den Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht behandelt. Wir alle waren schockiert von der Grausamkeit und der Ungerechtigkeit, die den Juden und den anderen von den Nationalsozialisten nicht tolerierten Menschen widerfahren war. Als wir erfuhren, dass wir am 13. Dezember das KZ Natzweiler-Struthof besuchen würden, waren wir gespannt, was uns dort erwarten würde. Das Ziel der Exkursion wurde noch geändert, da es im Elsass liegt, und wir aufgrund der Pandemie dort nicht einreisen konnten, daher besuchten wir das KZ Neckarelz in Mosbach.
Dort angekommen erwartete uns nicht etwa ein altes, heruntergekommenes Gebäude, sondern eine Grundschule, auf deren Hof, neben Rutschen und Klettergerüsten, ein modernes Gebäude stand, die KZ Gedenkstätte Neckarelz.
Drinnen erfuhren wir, dass die Schule auch vor der NS-Zeit existiert hat und von den Nazis zu einem KZ umfunktioniert wurde. Die Schüler wurden während dieser Zeit in Kindergärten untergebracht.
Anschließend trennte sich unsere Gruppe, eine Klasse blieb in der Gedenkstätte, während sich die andere auf den sog. „Goldfischpfad“ begab.
Gleich bei der ersten Station des Pfades, dem eingezäunten Eingang zu einem Stollen, erfuhren wir, warum dieses KZ überhaupt gegründet wurde: Im Jahr 1944 wurde die Luftwaffenproduktion von Berlin nach Mosbach verlegt. Grund dafür war Süddeutschlands vermeintliche Sicherheit vor Bombenangriffen. Dazu wurden tausende KZ- Häftlinge aus anderen Lagern dorthin transportiert. Die ersten Ankömmlinge mussten einen Bahnhof bauen, auf dem die Güterzüge mit den Waffenteilen aus Berlin einfahren konnten. Anschließend mussten die Häftlinge die Stollen in Obrigheim auf der anderen Neckarseite ausbauen, um dort Flugzeugmotoren zu bauen. Daran beteiligt war auch die Daimler-Benz-Motoren GmbH, deren Tarnname „Goldfisch GmbH“ war. Wie man sich schon denken kann, war dieses KZ kein Vernichtungslager, sondern ein Arbeitslager. Es wurden „nur“ drei Menschen wegen Fluchtversuchen gehängt, aufgrund der grauenvollen Arbeitsbedingungen starben jedoch zahlreiche Häftlinge. Hinzu kommen noch die mehreren hundert arbeitsunfähigen Menschen, die in Vernichtungslager deportiert wurden. In der Umgebung gab es noch einige weitere KZs, sie alle werden als „Neckarlager“ bezeichnet. Sie wiederum gehörten den Außenkommandos des KZs Natzweiler-Struthof an.
Der Goldfischpfad wurde zwar von der Gedenkstätte angelegt, jedoch beinhaltet er neben Informationstafeln und den verschiedenen (gesperrten) Eingängen zu den Stollen auch den sog. „Treppenweg“, den die Häftlinge damals schwer bepackt, mit dünner Arbeitskleidung und schlechten Holzschuhen hinaufsteigen mussten. So banal es klingt, eben diese Holzschuhe sorgten in diesem Fall dafür, dass das später oft verwendete Argument: „Wir haben nichts davon gewusst“…“ entkräftet wird, da die Gefangenen mit diesen laut klackernden Schuhen täglich über eine Brücke und durch die Dorfstraßen hindurch gehen mussten, wobei sie natürlich bemerkt wurden.
Auf den eben schon genannten Informationstafeln befinden sich auch immer wieder Zeichnungen, die meist die Häftlinge bei der Arbeit zeigten. Diese wurden von dem Insassen und Künstler Jacques Barrau angefertigt und haben viel zur Aufarbeitung der Geschichte des Lagers beigetragen.
Viele dieser Zeichnungen fanden wir auch in der Gedenkstätte wieder, wo wir nach der Wanderung auf dem Goldfischpfad wieder ankamen. Daraufhin machte sich die Parallelklasse auf den Weg dorthin. Die Gedenkstätte besteht aus vier großen Räumen, zwei davon in einem Keller. Oben hängen viele Infotafeln und Karten, dazu gibt es mehrere Schubladen, in denen Texte mit Geschichten des Lagers sind. In der Mitte des Raumes sind große Pappfiguren aufgestellt, die KZ-Insassen symbolisieren. An ihnen sind verschieden farbige Wimpel befestigt, die die Gründe darstellen, warum die Menschen im KZ waren. Die Farbe Pink beispielsweise bekamen Homosexuelle. Auch findet man viele nachgebildete Akten der Gefangenen vor. Im anderen Raum im Obergeschoss hängt an der Wand eine große Infotafel mit einem Zeitstrahl, der die Geschichte des Lagers darstellt. In der Mitte des Raumes ist die erst vor einigen Jahren wiederaufgestellte Krankenhütte, an deren Wiederaufbau Schüler des Bismarck-Gymnasiums beteiligt waren.
In diesen beiden Räumen konnten wir uns eine Zeit lang umsehen. Dabei entdeckten wir viele interessante Dinge, wie beispielsweise die alte Kleidung eines französischen Häftlings oder Geschichten über die Beziehungen der Häftlinge und der Hausmeisterfamilie der Schule. Diese durfte auch nach der Umwandlung der Schule in ein KZ dort wohnen bleiben. Sie hielten sich zwar größtenteils aus den Angelegenheiten der Insassen heraus, jedoch verhalfen sie nach der Auflösung des Lagers drei Häftlingen zur Flucht und sie luden die Frau eines Häftlings, unter dem Vorwand, sie wäre eine ihrer Verwandten, zu sich ein, sodass diese ihren Mann wiedersehen konnte. Obwohl die Hausmeisterfamilie, abgesehen von diesen Ausnahmen, den Häftlingen nicht bei der Bestreitung ihres harten Alltags half, bekamen ihre Kinder von den Häftlingen selbst gefertigte Weihnachtsgeschenke. Doch sie waren nicht die einzigen, denen diese Ehre zuteilwurde, auch die Dorfkinder, die den täglich vorbeigehenden Häftlingen Brotreste zusteckten, bekamen Geschenke.
Anschließend gingen wir in den Keller, wo wir im ersten Raum weitere Fundstücke vorfanden, darunter einen Flugzeugmotor. Im Nebenraum hängen Akten von KZ-Mitarbeitern und Insassen an den Wänden, in der Mitte sind zwei große Computer, mit denen man nach Häftlingen recherchieren kann.
Am Ende hatten wir noch einmal Zeit, uns in der ganzen Gedenkstätte umzusehen, dann wurde es Zeit für uns, zurück zu unserem Bus zu gehen.
Wir haben an diesem Tag sicher einiges gelernt, das jedoch meiner Meinung nach bemerkenswerteste war, dass auch an einem so schrecklichen Ort wie einem Konzentrationslager Akte der Menschlichkeit stattfinden konnten.
Eingang zu einem der Stollen
Pappfiguren, symbolisch für KZ Insassen
Damalige Raumeinteilung der Schule
Alte Häftlingsuniform