Im Rahmen der Ausstellung „Man wird ja wohl noch sagen dürfen …“ besuchten die Klassen 9a und 9c je einen Halbtagsworkshop zur Ausstellung, in dem Herr Ruiz Kontara, pädagogischer Mitarbeiter des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg (DZOK) viele Zusammenhänge zwischen den Themen Rassismus und Sprache beleuchtete, wie z.B. woher rassistische und antisemitische Begriffe stammen, wie historische Personen wie Victor Klemperer unter Diskriminierung litten und wie Sinti und Roma heute gegen Vorurteile kämpfen. Rassistische und antisemitische Wörter haben oft lange und traurige Geschichten. Sie wurden u.a. während der Zeit des Nationalsozialismus als politische Hetze verwendet, um bestimmte Gruppen von Menschen zu beleidigen und auszugrenzen.
Eine Person, die sich mit der Wirkung rassistischer Sprache auseinandersetzte, war Victor Klemperer, Professor für Romanistik. Er lebte zwischen 1881 und 1960 und erlebte somit beide Weltkriege sowie die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Obwohl er im Ersten Weltkrieg für Deutschland kämpfte und später zum Christentum konvertierte, wurde er aufgrund seiner jüdischen Herkunft während der NS-Zeit diskriminiert. Viele Rechte wurden ihm genommen, beispielsweise wurde er aus seiner Professur entlassen und er durfte keine Bücher aus der Bibliothek mehr ausleihen.
Ein Beispiel für die Diskriminierung, die Klemperer erleben musste, war, dass ihm oft bei seiner Arbeit in der Fabrik verletzende Sachen gesagt wurden, wie etwa: „Ihre Frau ist eine Deutsche. Ist sie wirklich Deutsche?“ Solche Aussagen machten deutlich, wie tief verwurzelt die Vorurteile gegenüber Juden in dieser Zeit waren. Klemperer selbst erkannte das „Gift“ in der Sprache, die in dieser Zeit verwendet wurde, jedoch machte er seine Kollegen nicht verantwortlich dafür, sondern die Propaganda der Nationalsozialisten. Dies steht in seinem Buch „LTI – Lingua Tertii Imperii“ (Die Sprache des Dritten Reiches), in dem er die Sprache der Nazis analysierte und beschrieb, wie sie verwendet wurde, um das Denken der Menschen zu beeinflussen. Er nannte sie ein „umnebelndes Rauschgift“, weil sie die Wahrnehmung der Menschen verdunkelte.
Ein weiteres Thema des Workshops war ein Gedicht, das von einem Mädchen handelt, das von einer „Zigeunerin“ entführt wurde. In dem Gedicht wird die „Zigeunerin“, im Gegensatz zum Mädchen, als arm und von niedrigem Rang dargestellt. Diese Geschichte zeigt, wie Vorurteile in der Literatur und Kunst verbreitet wurden. Mittlerweile verwenden wir das Wort „Zigeuner“ nicht mehr, da es als abwertend gilt. Stattdessen sprechen wir von Sinti und Roma, zwei Gruppen, die historisch oft als Außenseiter behandelt wurden und mit vielen Vorurteilen zu kämpfen haben. Sinti und Roma haben eine eigene Sprache und eine lange Geschichte. Schon im 13. Jahrhundert wanderten viele von ihnen über den Balkan nach Europa. Ihre Ursprünge liegen wahrscheinlich in Indien bzw. dem heutigen Pakistan.
Heutzutage kämpfen die Sinti und Roma in Deutschland auf verschiedene Weise gegen den Rassismus, der ihnen entgegengebracht wird. Sie tun dies oft auf ruhige und friedliche Weise, indem sie den Menschen erklären, wer sie sind und welche Kultur sie haben. Viele Sinti und Roma leben gemeinsam in bestimmten Gegenden, weil sie dort unter ihresgleichen sind und sich dort wohl fühlen. Dies beschreiben sie als Gefühl einer großen Familie.
Vorurteile gegenüber Sinti und Roma gehören aber leider nicht der Vergangenheit an. Ein Fall, der im Workshop besprochen wurde, fand an der Realschule in Obrigheim statt. Diese wollten Schülerinnen und Schüler nach Vinzenz Rose benennen. Vinzenz Rose war ein deutscher Sinto, der von den Nationalsozialisten verhaftet und in mehrere Konzentrationslager deportiert wurde. Mit Hilfe seines Bruders gelang ihm schließlich die Flucht und nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich für die Erinnerungskultur für die ermordeten Sinti ein. Eine geheime Abstimmung des Gemeinderats verweigerte den Schülerinnen und Schülern schließlich die Umbenennung ihrer Schule nach Vinzenz Rose. Auch der Vorschlag, die Brücke im Ort umzubenennen, wurde mit dem fadenscheinigen Argument abgelehnt, dass diese weltweit bekannt wäre.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus (Feindlichkeit gegenüber Sinti und Roma) tiefe Wurzeln in der europäischen Geschichte haben. Durch die Verwendung von abwertenden Begriffen und Vorurteilen wurden ganze Gruppen von Menschen diskriminiert. Menschen wie Victor Klemperer hatten stark damit zu kämpfen. Auch heute noch werden Sinti, Roma und andere Minderheiten damit konfrontiert. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft aus der Vergangenheit lernen und uns bewusst machen, wie Vorurteile und Sprache das Denken der Menschen beeinflussen können.
Hanna Seydel (9a)
Kaja Treue (9a)